Grundsätzlich gilt seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022, dass alle Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden systematisch zu erfassen – also Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Dennoch gibt es einige Ausnahmen oder Sonderregelungen, bei denen keine oder nur eingeschränkte Stundenaufzeichnungspflicht besteht. Diese Ausnahmen hängen von der Art der Beschäftigung, tariflichen Regelungen oder besonderen gesetzlichen Bestimmungen ab.
1. Leitende Angestellte
Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes sind vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen. Dazu zählen Personen, die z. B.:
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zur selbstständigen Einstellung und Entlassung berechtigt sind,
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maßgeblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen haben,
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oder regelmäßig eigenverantwortlich Entscheidungen von erheblicher Bedeutung treffen.
Für diese Gruppe besteht keine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, da sie nicht unter die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes fallen. Sie gelten als „arbeitgeberähnliche Personen“.
2. Selbstständige und freie Mitarbeiter
Selbstständige, Freelancer, Solo-Selbstständige und freie Mitarbeiter unterliegen nicht dem Arbeitszeitgesetz, da sie keine Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne sind. Sie entscheiden selbst über ihre Arbeitszeiten und müssen daher keine Stundenaufzeichnungen für sich selbst führen (wohl aber unter Umständen für Mitarbeitende, wenn sie Arbeitgeber sind).
3. Familienangehörige im Betrieb (unter bestimmten Bedingungen)
In kleinen Familienbetrieben kann es vorkommen, dass Familienangehörige mitarbeiten, ohne formal als Arbeitnehmer zu gelten (z. B. Ehepartner oder Kinder). Ob hier eine Zeiterfassungspflicht besteht, hängt vom rechtlichen Status (Anstellung vs. familiäre Mitarbeit) ab. In echten „familienrechtlichen Mitarbeitssituationen“ (ohne Arbeitsvertrag) kann die Pflicht entfallen. Dies ist jedoch einzelfallabhängig und sollte rechtlich geprüft werden.
4. Beschäftigte mit Vertrauensarbeitszeit (nur mit Einschränkungen)
Vertrauensarbeitszeitmodelle bedeuten, dass der Arbeitgeber nicht vorgibt, wann gearbeitet wird – die Mitarbeitenden organisieren ihre Arbeitszeit selbst. Aber: Auch bei Vertrauensarbeitszeit muss die Arbeitszeit erfasst werden, wenn das Arbeitszeitgesetz gilt. Das BAG hat ausdrücklich klargestellt, dass auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen eine Dokumentation notwendig ist, um die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten zu kontrollieren.
Ein völliger Verzicht auf Aufzeichnung ist daher nicht zulässig, es sei denn, es handelt sich um eine der oben genannten Ausnahmen (z. B. leitende Angestellte).
5. Tarifliche oder gesetzliche Ausnahmen (zukünftig möglich)
Ein Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung sieht vor, dass durch:
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Tarifverträge oder
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Betriebsvereinbarungen
abweichende Regelungen zur Zeiterfassung getroffen werden können – etwa zur Form (digital, analog), zum Erfassungszeitraum oder zur Delegation an Mitarbeitende. Eine komplette Befreiung von der Erfassungspflicht ist jedoch nicht vorgesehen, sondern nur Modifikationen.