Neues Jahr, neues Glück. Fußball-EM im eigenen Land, Olympia, Dubai-Schokolade, US-Wahl und Stefan-Raab-Comeback haben wir hinter uns gelassen. Was bleibt, ist der Blick nach vorne. Den haben wir zum Anlass genommen, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und sieben Voraussagen für das Jahr 2025 zu treffen.
1. Mehr als nur ein Job: Immer mehr Menschen üben mehr als eine Beschäftigung aus
Der Trend-Himmel ist im vergangenen Jahr um ein Modewort reicher geworden: Polyworking. Das Konzept dahinter ist nicht neu – Arbeitnehmende haben mehr als nur einen Job. Längst hat dies aber nicht mehr bloß einen rein wirtschaftlichen Hintergrund. Denn nicht nur finanziell schwächere Menschen haben heute immer häufiger einen zusätzlichen Job.
Quelle: Owl Labs, State of Hybrid Work Germany 2024
Owl Labs State of Hybrid Work-Bericht aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass bereits 18 Prozent der Arbeitnehmenden einem Zweitjob nachgehen und ganze 15 Prozent planen, in diesem Jahr einen Nebenjob anzutreten. Zusätzlich haben 22 Prozent zwar noch keine konkreten Pläne, könnten sich eine Zweitbeschäftigung aber durchaus vorstellen.
Warum aber gewinnt Polyworking so an Popularität? Höchstwahrscheinlich weil der Arbeitsmarkt eben nicht mehr so funktioniert wie noch vor 50 Jahren.
Die Portfoliokarriere, die moderne Alternative zur klassischen Laufbahn im Unternehmen, gewinnt eine immer größere Bedeutung. Bei ihr konzentrieren sich Arbeitnehmende nicht mehr nur auf einen einzigen Job, sondern kombinieren verschiedene Anstellungen und Projekte zu einem erfolgreichen Portfolio, erweitern so ihre Skills und Fähigkeiten sowie ihr Netzwerk und stellen ihren persönlichen Wachstum in den Vordergrund. Dadurch entwickeln sich wieder neue Karrieremöglichkeiten.
Auch der Wunsch nach mehr Flexibilität und die Suche nach persönlicher Erfüllung machen Polyworking attraktiv. Unterschiedliche Aufgaben und Umgebungen sorgen für Abwechslung bei der Arbeit und minimieren das Burnout-Risiko – auch weil Arbeitnehmende häufig mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeiten und damit ihre Work-Life-Balance haben.
Für Unternehmen bedeutet dieser Trend ebenfalls Wandel: Sie müssen flexiblere Strukturen schaffen und stärker auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Für die Führungskräfte bedeutet das viel Kommunikation und kulturelle Offenheit. Doch das birgt auch Chancen, denn der Zugang zu vielfältigem Wissen und verschiedenen Kompetenzen steigt.
2. Deutsch auf dem Rückzug: Internationale Fachkräfte verändern den Arbeitsmarkt
Fachkräftemangel. In kaum einer politischen Sendung, Talkrunde oder Bundestagsrede ist dieser Begriff in den vergangenen Jahren nicht gefallen. Natürlich aus gutem Grund. Deutschland wird immer älter, die Babyboomer gehen in Rente und gut ausgebildetes Personal fehlt an allen Stellen. Diese Lücke soll vor allem durch internationale Fachkräfte geschlossen werden.
Bereits heute zeigt sich, dass die Einbürgerungen sowohl aus EU-Mitgliedsländern als auch aus Drittstaaten in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sind. Laut den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2023 wurden zuletzt etwa 170.000 Menschen aus Drittstaaten eingebürgert, von denen viele dem deutschen Arbeitsmarkt entsprechend zur Verfügung stehen. Was das, neben allen positiven Effekten, in der Praxis für Schwierigkeiten birgt, sehen wir vor allem im Gesundheitssystem.
Laut Zahlen der Bundesärztekammer arbeiten mittlerweile 60.000 Mediziner:innen aus dem Ausland in deutschen Krankenhäusern und Praxen – das sind mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Vergangenes Jahr äußerte die Ärztekammer Bedenken, dass die deutschen Sprachkenntnisse bei internationalen Ärzt:innen mangelhaft seien. Das berge bei der Kommunikation mit Patient:innen große Risiken.
Und die Sprachbarrieren tauchen längst nicht nur im Gesundheitswesen auf.
Wichtig ist, zu begreifen, dass die Einstellung von internationalen Fachkräften keine kurzfristige Notlösung ist. Laut einer Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist die deutsche Wirtschaft bis zum Jahr 2035 auf eine jährliche Zuwanderung von 400.000 ausländischen Fachkräften angewiesen. Und nicht jeder oder jede lernt auf Anhieb Deutsch. Was also tun?
Arbeitgebende haben die Aufgabe, Kommunikation neu zu denken, beispielsweise ihre Unternehmenskommunikation, ihr Onboarding, oder von den Mitarbeitenden genutzte Tools wie Schichtplanungs-Apps in verschiedenen Sprachen – mindestens aber auch auf Englisch – anzubieten oder KI-gestützte Übersetzungstools zu nutzen. Kulturelle Sensibilisierung und Teambuilding helfen darüber hinaus bei der Vermeidung von Missverständnissen und fördern die Integration internationaler Mitarbeitenden.
3. Alle Zeichen stehen auf Teilzeit: Die Deutschen arbeiten immer weniger
Der Wunsch nach mehr Flexibilität schlägt sich auch auf eine andere Statistik nieder: Seit Jahren sinkt die wöchentliche Arbeitszeit der Deutschen. Man muss keine besonderen, wahrsagerischen Fähigkeiten besitzen, um vorauszusehen, dass dieser Trend auch 2025 weiter zunehmen wird.
Mit 35,1 Stunden liegt die Wochenarbeitszeit in Deutschland ein ganzes Stück unter dem europäischen Durchschnitt mit 37,4 Stunden.
Der Teilzeit-Effekt wirkt sich in besonderem Maße auf die Statistik aus. Denn die Teilzeitbeschäftigung lag im vergangenen Jahr bei einem Rekordniveau von über 39 Prozent (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung). Bei Frauen ist der Anteil derjenigen, die keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, mit fast 50 Prozent sogar nochmal deutlich höher.
Gründe dafür, die eigene Arbeitszeit zu reduzieren, gibt es viele. Hier fällt erneut das Stichwort Work-Life-Balance. Der klassische Nine-to-Five Job an fünf Tagen die Woche bietet eben nicht besonders viel Spielraum für persönliche Erfüllung, Hobbys und Zeit mit der Familie. Das zeigt sich vor allem bei jüngeren Arbeitnehmenden, die andere Prioritäten als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern setzen.
Für Unternehmen bedeutet auch das ein Umdenken: Es gilt, Teilzeit zu ermöglichen und gleichzeitig das vorhandene Personal effizient (beispielsweise dank einer strukturierten Dienstplanung) einzusetzen. Und: Mehr Teilzeitkräfte bedeuten auch insgesamt mehr Mitarbeitende. Das wiederum lässt die Personalplanung komplexer und anspruchsvoller werden. Geeignete Personalplanungs-Tools können hier unterstützen.
4. Rekord beim Krankenstand: Die Teilkrankmeldung schafft (vielleicht) Abhilfe
Entweder krank oder gesund – dazwischen gibt es nichts. So haben wir zumindest bisher auf Krankmeldungen geblickt. Eine heiß diskutierte Neuerung, die Ärztepräsident Klaus Reinhardt in den Ring warf, könnte im Jahr 2025 allerdings etwas daran ändern: Die Teilkrankschreibung.
Das deutsche Arbeitsrecht kennt bisher keine Teilkrankschreibung. Anders als in Schweden. Dort können Ärzt*innen entscheiden, dass Arbeitnehmende entweder zwei, vier oder sechs Stunden am Tag arbeiten müssen – je nachdem, was ihnen zuzutrauen ist. Das Modell kommt besonders bei Menschen zum Tragen, die langfristig erkrankt sind, beispielsweise an Krebs oder Depressionen.
Aussagen darüber zu treffen, warum die Fehlzeiten in Deutschland so hoch sind (immerhin liegen wir mit 6,8 Prozent verlorener Arbeitszeit durch Krankheit auf Platz 7 in Europa) ist schwierig. Einige wollen die während der Corona-Pandemie eingeführte telefonische Krankschreibung dafür verantwortlich machen – und sie unbedingt abschaffen. Belegen lässt sich das aber nicht.
Der Rekordkrankenstand in Deutschland ist laut Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung vor allem auf unseren Wohlstand zurückzuführen. Auch wenn es paradox klingt, zeigen die Zahlen: Bei Wirtschaftskrisen gehen die Fehlzeiten zurück, gibt es wenig Arbeitslosigkeit und läuft die Wirtschaft gut, steigen sie.
Ist die Teilkrankschreibung jetzt also das Wundermittel gegen hohe Fehlzeiten? So ganz raus ist das noch nicht. Während einige Expert:innen die Flexibilität und Individualität des Modells positiv hervorheben, und darüber hinaus auf die Kosteneinsparungen für Krankenkassen hinweisen, befürchten Kritiker:innen einen erhöhten Druck auf erkrankte Mitarbeitende, eine mögliche Verlängerung des Genesungsprozesses und Schwierigkeiten bei der Umsetzung und dem Krankheitsmanagement.
Aus der Wirtschaft gibt es Rückenwind für die Idee, der Hausärzteverband lehnt die teilweise Krankschreibung ab. Es bleibt spannend.
5. Rückkehr ins Büro: Machtspiel oder sozial Gerechtigkeit?
Wenn uns die Corona-Pandemie eines gelehrt hat, dann, dass eine 5-Tage-Woche im Homeoffice doch bestens funktioniert. Oder vielleicht doch nicht? Nach einigen Jahren aufgeweichter Anwesenheitspflicht kehren mittlerweile immer mehr Unternehmen zum alten Muster mit mindestens vier Tagen im Büro zurück.
Obwohl es dafür gute Gründe gibt, zeigt die Studienlage: Bei vielen Arbeitnehmenden kommt das nicht gut an.
Quelle: Owl Labs, State of Hybrid Work Germany 2024
Laut dem State of Hybrid Work Germany-Bericht von Ende letzten Jahres würden sechs Prozent der Arbeitnehmenden sofort kündigen, sollten sie die Privilegien der Hybridarbeit verlieren. Ganze 23% würden sich zeitnah nach einer neuen Stelle in Bezug auf den Arbeitsort umsehen, 16 Prozent würde nur eine Gehaltserhöhung am Gehen hindern. Nur 11 Prozent hätten kein Problem mit einer strengen Büropflicht. Das spricht Bände.
Transparenz und Teamkultur sind die beiden Stichworte, die in diesem Zusammenhang immer wieder fallen. Im September letzten Jahres hat Amazon seine Mitarbeitenden zurück ins Büro beordert, fünf Tage die Woche, keine Ausnahmen. Man wolle die Kultur und die Teams weiter stärken, hatte Amazon CEO Andy Jassy den Schritt begründet. Eine Studie der University of Pittsburgh sieht darin vor allem den Wunsch nach Kontrolle der Geschäftsführung über die Mitarbeitenden.
Doch es gibt auch andere Stimmen. Denn die Rückkehr ins Büro bietet ebenso Chancen. Die Zufriedenheit im Homeoffice hängt stark von der Wohnsituation ab, Arbeits- und Gesundheitsschutz sind zuhause zudem viel schwieriger zu kontrollieren. Eine Harvard-Studie von 2023 kommt außerdem zu dem Schluss, dass Austausch und Feedback zwischen Kolleg:innen im Homeoffice schwächer ausgeprägt sind und sich remote Arbeitende weniger schnell neue Fähigkeiten aneignen.
Und Chancen bieten sich bei einem Return-to-Office-Trend auch aus sozialer Sicht. Denn es ist ebenso wichtig zu bedenken, dass viele Menschen von vornherein keine Möglichkeit zum Arbeiten von zuhause haben. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus dem Jahr 2020 können in Deutschland rund 50 % der Beschäftigten kein Homeoffice nutzen, da ihre Tätigkeiten dies nicht zulassen.
Die Annäherung der Arbeitsrealitäten könnte also für eine größere Wahrnehmung von Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen, soziale Spannungen abbauen und traditionellen Berufsgruppen eine neue Form von Wertschätzung vermitteln.
6. Gestaltung gesunder Schichtarbeit bleibt eine der größten Herausforderungen
Laut der Techniker Krankenkasse arbeiten etwa 17 Millionen Menschen in Deutschland in Schichtdiensten, davon rund 3,5 Millionen Menschen in regelmäßiger Nachtarbeit. Von Pflege und Gesundheitswesen über Produktion und Logistik bis hin zu Gastronomie und Hotellerie ist der Schichtdienst Bestandteil des Arbeitsalltags vieler Menschen. Wie dieser Schichtdienst gesund gestaltet werden kann, bleibt auch in diesem Jahr eine der Hauptaufgaben von Arbeitgebern.
Die Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte bereits vor einigen Jahren alarmierende Zahlen. So klagten über 78 Prozent der Schichtarbeitenden über Müdigkeit, über 65 Prozent gaben sogar Probleme mit Schlafstörungen an, nur etwas weniger kämpften mit körperlicher Erschöpfung.
Klar ist: Wer zu immer wechselnden Tages- und Nachtzeiten arbeitet, ist körperlich und psychisch mehr beansprucht, als diejenigen, deren Arbeit sich am normalen Tag-Nacht-Rhythmus orientiert. Gesunde Ernährung, guter Schlaf, Zeit für Freunde und Familie – viele Aspekte des alltäglichen Lebens leiden unter der Schicht-, insbesondere unter der Nachtarbeit.
Dabei ist gesunde Schichtarbeit planbar. So kommt das ifaa Institut zum Schluss, dass vor allem die Anzahl der Nachtschichten hintereinander eine entscheidende Rolle spielt. Maximal zwei bis drei Nachtschichten nacheinander, gefolgt von zwei bis drei freien Tagen, ermöglichen demnach eine möglichst große Erholung, körperliche sowie seelische Entspannung und eine Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.
Unabhängig von der Nachtarbeit stehen Branchen und Unternehmen, die Mitarbeitende in Schichtarbeit beschäftigen, in der Verantwortung, möglichst gesunde und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Und es gilt, Mitarbeitende in die Planung ihrer Schichten mit einzubinden – zum Beispiel mithilfe von benutzerfreundlichen Schichtplanungs-Tools.
6. Alles digital: Generationenkonflikte vorprogrammiert
Technologischer Fortschritt, beispielsweise durch Künstliche Intelligenz, hat seine Vorteile. Gleichzeitig laufen Unternehmen Gefahr, dass insbesondere ältere Mitarbeitende auf der Strecke bleiben und sich schwer damit tun, mit neuen Technologien Schritt zu halten.
Quelle: Owl Labs, State of Hybrid Work Germany 2024
Während Millenials und insbesondere die Gen Z als digital natives eine hohe Technologiekompetenz besitzen und sich neue Tools und und digitale Prozess schnell und intuitiv aneignen, herrscht bei der älteren Generation häufig eine große Unsicherheit. Nur 11 Prozent der Boomer haben in Folge dessen etwas für hybride Meeting-Techniken übrig. Die Flexibilität und Offenheit Änderungen gegenüber ist geringer. Und das führt schnell zu Konflikten innerhalb von Teams.
Da sich die rasanten Entwicklungen unserer Zeit aber nunmal nicht aufhalten lassen, stehen Arbeitgebende vor der Herausforderung, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem ältere Mitarbeitende mitgenommen werden, beispielsweise durch Schulungen, Support-Systeme wie Helpdesk-Angebote und die Auswahl von benutzerfreundlichen und intuitiven Tools.
Fazit: Komplexität meistern, Potenziale nutzen
Verstärkte Teilzeit, Sprachdiversität, deutliche Unterschiede im Bildungsgrad und verschiedene Arbeitsorte mit ganz eigenen Herausforderungen: Bereits in den vergangenen Jahren zeichnete sich ab, dass die Workforce in Deutschland immer diverser wird.
Unternehmen stehen vor der großen Aufgabe, diese Komplexität zu managen und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden optimal integriert, gefördert und eingebunden werden. Gleichzeitig steckt in einer vielfältigen Belegschaft großes Potenzial, um Innovation, Kreativität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Hinsichtlich unserer Wirtschaftsleistung stehen wir in Deutschland vor entscheidenden Jahren. Ob sich die Trends zur Diversität durchsetzen, und beispielsweise eine 4-Tage-Woche oder Teilzeit zum Standard werden, oder ob diese Entwicklungen aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage rückläufig sein werden, wird sich zeigen.